Freitag, 9. Dezember 2005

Gewaltfreie Kommunikation

Rosenberg geht davon aus, dass Menschen unter freien Bedingungen gerne geben und die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GfK soll helfen, sich ehrlich auszudrücken und empathisch zuzuhören. Empathie ist nach Rosenberg ohnehin eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation und sie hilft auch mit Menschen zu kommunizieren, die selbst nicht gewaltfrei kommunizieren oder aggressiv sind. Sie gibt dem anderen die Möglichkeit, sich zu verändern ohne das Gesicht zu verlieren. Das Grundmodell kann uns also helfen, uns verständlich zu machen, aber auch genutzt werden, um die Aussagen anderer zu verstehen.

Die vier Schritte, auf denen die GfK beruht, lassen sich unter den Stichworten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte zusammenfassen:
Zuerst beschreiben wir eine konkrete Handlung, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigt. Hierbei ist es wichtig, tatsächlich eine Beobachtung zu äußern und sie nicht mit einer Bewertung zu vermischen. So ist die Aussage Du beachtest mich nicht in einer Ehe keine Beobachtung. Erstens impliziert sie eine Bewertung, ein Urteil über den anderen, und zweitens ist sie zu abstrakt und allgemein. Du hast in der letzten Woche keinen Abend mit mir verbracht spezifiziert die Aussage, ohne den anderen zu bewerten. Wird eine Beobachtung mit einer Bewertung vermischt, neigt das Gegenüber dazu, nur die Kritik zu hören. Die Chance, dass unsere Bedürfnisse gehört werden und dass auch wir die Bedürfnisse des anderen hören, verringert sich. Es kommt vor, dass trotz bewertungsfreier Äußerungen vom Gegenüber eine Kritik herausgehört wird. Hier hilft es, den anderen das Gesagte paraphrasieren zu lassen (siehe auch: aktives Zuhören).
Dann bringen wir unsere Gefühle mit dem in Verbindung, was wir beobachten. Wir erklären dem anderen, was wir dabei fühlen und können ihn auch nach seinem Gefühl fragen. Ob wir nun bei unserem oder seinem Gefühl bleiben, beides hilft, um in einen empathischen Kontakt zu kommen. Ich fühle mich einsam wäre hierbei die Äußerung eines Gefühls, ich fühle mich vernachlässigt dagegen die Äußerung eines Pseudogefühls . Wichtig ist es hierbei, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen. Manchmal reagieren wir oder andere auf bestimmte Situationen mit mehreren Gefühlen. Hier hilft es, die Gefühle nacheinander zu betrachten.
Nun betrachten wir Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche, aus denen Gefühle entstehen. Hinter bestimmten Gefühlen stehen nach Rosenberg immer Bedürfnisse. Vielleicht steht hinter dem Gefühl der Einsamkeit das Bedürfnis, beachtet und geliebt zu werden. Oftmals sind die Bedürfnisse aber nicht auf den ersten Blick erkennbar und bleiben uns selbst und anderen verborgen, dann können wir uns ratend den Bedürfnissen des anderen nähern. Gerade bei Handlungen oder Aussagen, die uns ärgern, hilft es uns, die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erfragen und zu verstehen. Möglicherweise lehnen wir z. B. rassistische Aussagen ab, verstehen wir jedoch die dahinter liegenden Bedürfnisse, kommt es zur Empathie. Wir können dann unsere Wertvorstellung durchaus verteidigen, die aus unseren Bedürfnissen entspringt, ohne den Kontakt zum anderen zu verlieren.
Zum Schluss äußern wir eine konkrete Handlung, um die wir bitten mögen, "damit unser Leben reicher" wird. Um Bitten verständlich zu äußern, müsse man sie mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen in Verbindung bringen. Rosenberg schlägt vor, Bitten in einer "positiven Handlungssprache" zu formulieren. Zum einen bedeutet dies nicht zu sagen, was jemand tun oder nicht tun sollte, sondern was man sich von jemandem erbittet. Wenn ich sage: Ich möchte, dass du nicht mehr die ganze Zeit weg bist!, dann ist noch lange nicht sicher, ob er verstanden hat, was ich eigentlich möchte. Je konkreter die Handlung, um die gebeten wird ist, umso besser: Ich bitte dich, dass du in der nächsten Woche einige Abende mit mir verbringst. Auch hier hilft es, das Gesagte paraphrasieren zu lassen, um herauszufinden, ob es Missverständnisse gab.
Rosenberg fasst die Kommunikationsart der GfK in folgendem Satz zusammen:

"Wenn a, dann fühle ich mich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d."
An unserem Beispiel:

"Wenn du keinen Abend in der Woche mit mir verbringst, dann fühle ich mich einsam, weil ich Liebe und Beachtung brauche. Deshalb möchte ich dich gerne darum bitten, diese Woche einige Abende mit mir zu verbringen."
Dieses Grundmodell soll nach Rosenberg nicht stur angewendet werden, variiert in der Reihenfolge und ist eher eine Hilfe, in soziale Beziehungen mit einem anderen Bewusstsein zu treten, als eine Technik. Die GfK ist nicht von heute auf morgen anwendbar und bedarf einer gewissen Übung. Ob man mit der GfK bei massiven Übertretungen durch den anderen Grenzen ziehen kann, darüber wird gestritten. Sie ist jedoch in der Praxis ein bewährtes Mittel, um in konfliktreicher Kommunikation die Chance zu erhöhen, empathisch miteinander umzugehen, und die gegenseitigen Bedürfnisse zu erfüllen.

Kritik
Aus systemischer Sicht gehören Provokation, Machtdemonstration und Wettbewerb zum gesunden menschlichen Erleben, welches auch ein Bestandteil ganzheitlicher Kommunikationsprozesse ist. Aus Sicht der Themenzentrierten Interaktion wird ebenfalls darüber gesprochen die eigenen Interpretationen so lange wie möglich zurückzuhalten (Hilfsregel der TZI), jedoch wird selbst hier dem Urteil und der Wertung nicht völlig der Nutzen abgesprochen. Im Umfeld von Deeskalation und Konfliktmanagement klammern auch andere Konzepte den ganzheitlichen Umgang mit Drohungen und liebevollem Umgang nicht so kategorisch aus. Auch die Mäeutik des Sokrates will nicht die Wertung vollkommen bannen, sondern stellt ihren Nutzen in würdigender Form zur Verfügung. Nicht zuletzt fordert das aus dem Businessbereich stammende sog. Harvard-Konzept explizit sogar Hart in der Sache - weich zum Menschen.

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Zweck vom Sonnendeck

Das Sonnendeck dient mir als Abstellplatz wichtiger Habseligkeiten wie auch überflüssigen Ballasts. Daneben lässt sichs aber auch ganz gemütlich liegen und der Gelassenheit frönen.

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