Mann nehme
Von Beatrice Schlag
Softies, hergehört: Die Frau von heute will wieder behandelt werden wie eine Frau. Selbstgereimtes, gute Manieren und «mal drüber reden» ist wirklich schön. Aber zwischendurch will sie eben auch Schweiss auf ihrer Haut spüren. Zum Sonnenuntergang einen Prolo mit Niveau – ach, das wär’s.
Frauen müssen wieder netter sein zu den Männern. Die Verzagtheit im Lager des Geschlechts, das bis vor kurzem «das starke» hiess und inzwischen für die Arterhaltung als schlichtweg unnötig gilt, ist schwer mitanzusehen. Dass die Erkenntnis männlicher Entbehrlichkeit nicht aus feministischen Reihen, sondern aus wissenschaftlichen Labors kommt, lässt selbst berühmteste Gockel einknicken. Norman Mailer etwa, der sich ein Dichterleben lang anstrengte, als aggressiver Weiberheld in die Literaturgeschichte einzugehen, wird im hohen Alter plötzlich von Horrorfantasien gebeutelt: «Männer, so schlecht sie Frauen auch behandelten, brauchten sie dennoch zur Fortpflanzung. Den Frauen hingegen hätten hundert Spermiensklaven gereicht, die sie jeden Tag melken konnten. Sie brauchen uns nicht. Und für mich ist es eine reale Möglichkeit, dass es in hundert Jahren nur noch hundert Männer auf der Erde gibt.»
Ganz so schnell wird es nicht gehen. Aber die harten Fakten in Sachen menschlicher Arterhaltung sind noch bitterer, als Mailer fürchtet. Rein theoretisch werden nicht einmal die hundert Samenproduzenten zwingend erforderlich sein, geschweige denn tägliches Melken, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. «Man braucht nur ihre Zellen, eine Tiefkühltruhe und eine sehr gute Stromversorgung», scherzt der britische Genetiker Steve Jones. Für den New Yorker Anthropologen Lionel Tiger alles andere als ein Anlass zur Heiterkeit. «Der Übergang von der männerzentrierten Produktion zur frauenzentrierten Reproduktion», schreibt der Autor von «Auslaufmodell Mann», «ist so tiefgreifend wie der Übergang von der Landwirtschaft zur Industrie.»
Der geschrumpfte Mann
Einem Geschlecht anzugehören, das dank Reproduktionstechnologie künftig problemlos durch einen Freezer ersetzt werden kann, würde auch das gesündeste Selbstbewusstsein ins Wanken bringen. Leider ist das Selbstbewusstsein der heterosexuellen Männer in den westlichen Industrienationen alles andere als gesund, obwohl die Fortpflanzung zurzeit noch überwiegend auf hergebrachte Art, also in warmen Betten, stattfindet. Wenn es jedoch um den gelassenen Umgang mit Frauen geht, kränkelt es dennoch schon vierzig Jahre vor sich hin. Seit Wirtschaftswunder und Feminismus die Frauen aus der Küche und in die Büros und Universitäten wirbelten, seit der Mann sich zum Pinkeln hinsetzen, für weibliche Gefühle statt für Körbchengrössen interessieren soll und sein Arbeitsplatz so unsicher ist wie die Bedeutung des Y-Faktors, ist die Freude des Mannes an seinem Mannsein in einem anhaltenden Schrumpfungsprozess begriffen.
Das Ergebnis kann in jeder Bar und an jeder Tramstation besichtigt werden: ein ziemlich gleichgültig und tendenziell unfroh dreinblickendes Wesen männlichen Geschlechts, das deutlich weniger Testosteron verströmt als die Generation vor ihm. Mann light, gewissermassen, für Frauen leider nicht bekömmlicher. Dabei hat er ästhetisch – der Disco- und später der Techno-Welle sei Dank – seit den achtziger Jahren eindeutig zugelegt. Irgendwann war er es leid, dass beim Tanzen immer nur die Schwulen mit ihren durchtrainierten Körpern unter den engen T-Shirts gute Figur machten. Inzwischen pflegt, trimmt, kleidet und schmückt er seinen Körper mit Hingabe, kauft markenbewusst ein und tanzt mit oft verblüffender Anmut.
Das ist der Erscheinung sehr zuträglich, der zwischengeschlechtlichen Erotik leider kaum. Denn inzwischen sieht er Frauen, wenn überhaupt, mit demselben Blick an, den er so häufig in den Spiegel wirft. Bin ich, fragt der Blick, nicht äusserst bemerkenswert? Nein, denken die Frauen, denn das einzige Begehren, das sie in dem Blick erkennen, ist das nach Selbstbestätigung. Einer Frau zulächeln, sich gar nach ihr umdrehen – zu viel der Anstrengung. Gab es tatsächlich einmal Männer, die Frauen nachpfiffen? Angesichts der Light-Generation zweifelt man an seiner Erinnerung. Genau so verwirrt wie die Frauen sind die Homosexuellen. Seit ein paar Jahren, sagen sie, sei ihr Gaydar, der Radar für andere Schwule, überhaupt nicht mehr zuverlässig. Es sei immer schwieriger auszumachen, ob ein Mann auf Frauen, Männer oder hauptsächlich auf sich selber stehe. «Metrosexuell» tauften die Medien das neue Wesen, an dem so vieles ansehnlich und so wenig sexuell wirkt.
Dass das Aufbegehren der Frauen, anfangs gern belächelt oder als Marotte freudloser Zicken weggewischt, den feinen Seelen in den gestählten Körpern auf Dauer zusetzen würde, war kein Wunder. Die Frauen waren nicht zimperlich in ihren Forderungen und nicht zurückhaltend mit Häme. Und leider bestachen sie in der Mehrheit weder durch Charme noch durch Humor im Umgang mit dem jäh in Ungnade gefallenen Geschlecht. Der einstige Ernährer musste zwar inzwischen nur noch die halbe Miete bezahlen, aber das zu einem hohen Preis: Er wurde vom lebenslangen Gefährten zur Option. Entweder er half bei Hausarbeit und Kinderbetreuung und war solidarisch mit ihren Bemühungen, sich auch unabhängig von ihm zu amüsieren, oder sie kam lieber ohne ihn zurecht. Die Scheidungsraten kletterten unaufhaltsam, und bis heute sind es meist die Frauen, die die Koffer packen.
Kuscheln und kuschen
Der Mann tut eine Menge, das zu verhindern. Nicht einmal der Verlust des Arbeitsplatzes erschüttert seine Grundfesten so radikal wie eine Trennung, die nicht er gewollt hat. Und weil nachgeben ihn deutlich weniger anstrengt, als lange Diskussionen mit einer möglicherweise immer ärgerlicheren Partnerin zu führen, setzt er gar nicht erst zum Widerspruch an. Wenn man in Büros mithört, wie Männer mit ihren Frauen telefonieren, hat man den Eindruck, sie seien zum gehorchenden Geschlecht mutiert. Der Kollege, der eben noch zum Aperitif mitgehen und nur kurz zu Hause Bescheid sagen wollte, flüstert nach kurzem Schweigen: «Okay Schatz, ich bin in zehn Minuten da.» Oder er jammert wie ein unzufriedenes Kind: «Aber du hast doch selber gesagt, wir sollten ab und zu... Und es war ja gar nicht meine Idee, die andern wollen unbedingt.» Auch die Stimme vieler Chefs flötet eine Oktave höher als ihr üblicher Bürobariton, kaum ist die Gattin am Draht. Das war nicht, was die Feministinnen im Sinn hatten, als sie einen neuen Gesprächston zwischen Mann und Frau verlangten.
Ebenso befremdlich wie die unterwürfigen Kinderstimmen ist die Tatsache, dass der Mann in Gesellschaft inzwischen scheinbar ungerührt hinnimmt, dass Frauen ihn zum lebenden Witz degradieren. «Du und über etwas nachdenken? Über etwas anderes als dich?», fragt die liebende Gattin mit nicht erkennbar zärtlichem Hohn, und die ganze Tischrunde lacht. Er ebenfalls, wenn auch etwas gequält. «Du und dich an einen Geburtstag erinnern? Du und freiwillig einen Putzlappen in die Hand nehmen? Du und Intuition?» Hahaha.
Es sind nicht nur die Tischgespräche. «Ich bremse auch für Männer», steht auf dem Kleber an der Stossstange. Sätze wie: «Je länger ich über Männer nachdenke, desto mehr fühle ich mich zu Hunden hingezogen» gibt es als Wandschmuck zu kaufen. In Kino und Fernsehen werden die schlagkräftigen Frauen immer zahlreicher: Lara Croft, Catwoman, Charlie’s Angels, Xenia und ständig neue Kommissarinnen, die Widersacher nicht nur souverän auf den Rücken legen, sondern auch immer etwas gescheiter sind als die Kollegen, mit denen sie sich herumschlagen müssen. Der deutsche Trendforscher Matthias Horx bezeichnete das kulturelle und gesellschaftliche Phänomen kurz und harsch als «die Vertrottelung des Mannes». «Die Männer haben sich verändert», sagt Horx. «Irgendwie hat man das Gefühl, als ob sie klein beigeben. Sie scheinen nicht mehr zu wissen, wo es langgeht. Sie trauen sich nichts mehr und bringen nichts zustande – wie Frauen früher.»
Aber da ist ein kleiner Unterschied, mit dem beide Geschlechter miserabel zurechtkommen: Während schüchterne und unsichere Frauen an männliche Beschützerinstinkte appellieren, was den Mann durchaus in Fahrt bringen kann, wirken klein beigebende Männer auf Frauen selten aufregend. Männliche Unterwerfung mag gelegentlich eine weibliche Kopffantasie sein, aber genau besehen ist sie nicht einmal im Kopf besonders interessant. Niemand mag sich mit Untergebenen messen. Deswegen hat die erotische Strahlkraft eines verunsicherten Mannes den Radius einer Funzel. Also sehen die Frauen sich nach ergiebigeren Lichtquellen um.
Das Grundmissverständnis
«Scheissfeministinnen! Machen so lange Terror, bis du nicht mehr weisst, wie du dich verhalten sollst. In den Mantel helfen oder nicht? Das Nachtessen bezahlen oder teilen? Sie einfach küssen oder vorher fragen? Kaum denkst du, jetzt machst du es ihnen ungefähr recht, fahren sie auf einen Macho ab.» Den Ausbruch einer erbitterten Funzel, so oder ähnlich, hat ungefähr jede eigensinnige Frau über fünfundzwanzig in den letzten Jahren über sich ergehen lassen. Meine Herren, Ihre wütende Ratlosigkeit ist nachvollziehbar. Aber hier gibt es ein Grundmissverständnis zu klären.
Dem Begriff Macho, in den sechziger Jahren zusammen mit Chauvi die meistverteilte feministische Beschimpfung für Grapscher, Bettflaschen, marxistische Nebenwiderspruch-Hochhalter und alle anderen Männer, die der Frauenbewegung nicht rückhaltlos zujubelten, ist in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Aufsplittung widerfahren. Die Frauenbewegung rührt sich kaum noch, viele jüngere Frauen schütteln über die feministische Verbohrtheit der Müttergeneration den Kopf. Aber wenn Mutter und Tochter heute über einen Mann sagen, er sei ein Macho, ist das nicht mehr zwingend nur ein Ausdruck von Empörung. Es schwingt eine leise Sehnsucht mit, über die Frauen nicht gern reden, weil sie dann auch sagen müssten, dass sie eigentlich nicht wissen, was sie von Männern wollen.
Wer hingegen von seinen Geschlechtsgenossen als Macho abgekanzelt wird, ist in der Regel aus Frauensicht etwas ganz anderes: ein rares Exemplar von entspanntem heterosexuellem Mann, der aus seinem Entzücken an Frauen keinen Hehl macht. Wenn Männer einen der Ihren als Macho ausmachen, handelt es sich meist um einen Anmacher von beträchtlichem Charme und Erfolg. Also um einen, der im Umgang mit Frauen weder unsicher noch befangen ist. Zumindest nicht bei den ersten Begegnungen. Da ist er nichts als unterhaltend, hängt gutgelaunt in seinem Stuhl und begeistert sich unverhohlen mehr für die Höhe ihrer Absätze als für die ihres IQs. Er ist weder herablassend noch sonst irgendwie frauenfeindlich. Er ist nur nicht sehr erpicht darauf, mit ihr über Umweltschutz oder kulturell bedeutende Anlässe zu reden. Stattdessen zwinkert er sie an, wenn sie sich über seriöse Themen herzumachen versucht. Und fragt, ob sie diese Bewegung, mit der sie gerade die Haare hinter dem rechten Ohr hervorgeholt habe, nochmals machen könne.
Mit anderen Worten: Er huldigt ihrer Weiblichkeit. Das ist etwas, was Frauen nicht mehr oft bekommen. Die Töchter der Emanzen, die Büstenhalter und Stöckelschuhe verteufelten, am liebsten sackartige Latzhosen trugen und den Verkauf der Barbie-Puppe gerne unter Strafe gestellt hätten, sehen sehr oft aus wie Barbie. Sie tragen hohe Absätze und sehr tiefsitzende Jeans, hautenge T-Shirts mit kühnen Ausschnitten und schimmerndes Lipgloss – ein erotisches Ausrufezeichen über dem andern – und ernten doch selten mehr als stumme Blicke aus ernsten metrosexuellen Gesichtern.
Mach mir nicht den Kilchsperger
Die Kunst des munteren Ansprechens hat sich zumindest in Mitteleuropa so verflüchtigt, als gingen Singles in den Ausgang, um etwas zu trinken zu bekommen. Amerikaner bereiten ihre Pick-up-Lines – Anmach-Eröffnungen – sorgfältig vor, weil sie wissen, dass die Frage, ob sie oft in diese Bar komme, jede Frau sofort gefühlstot macht. Stattdessen wagen sie Sätze wie: «Darf ich dich etwas fragen? Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick, oder soll ich später nochmals vorbeikommen?» Das wirkt nicht immer unverkrampft, aber die Bemühung wird geschätzt. Hierzulande, sagen die Frauen, herrsche hingegen Einfallslosigkeit und Plumpheit. Eine Behauptung, die von Männern energisch bestritten wird. Es seien die Frauen, die auch auf freundlichstes Ansprechen fast durchwegs angeödet reagierten und ihnen damit jede Lust vermiest hätten. Zwei Geschlechter, zwei Wahrnehmungen. Der Ausweg, dass Frauen Männer ansprechen, hat nach übereinstimmenden Aussagen beider noch immer Seltenheitswert. Die Gleichstellung an der Bartheke findet allenfalls beim Bezahlen statt.
Wenn man die Frauen fragt, gibt es nichts Leichteres, als sie anzumachen. Sie fallen, sagen sie, auf jedes vergnügte männliche Kompliment herein, das originell genug ist, sie zu überraschen. Jeder unbekümmerte Unbekannte, der sie zum Lachen bringt, kann sicher sein, einen zweiten Blick zu bekommen. Ihnen gebannt zuhören muss er nicht, im Gegenteil. «Wenn du einer Frau aus der Hand frisst, schläft sie ein», sagt ein Kollege, den alle Männer einen Macho nennen und den zahlreiche hübsche Kolleginnen schon in Unterwäsche gesehen haben. «Frauen wollen von Männern nicht, was sie selber können.» Was können Frauen nicht? «Bären töten», sagt er, «Apachen niederwerfen.» Was können Frauen? «Männer verstehen.»
Er hat Recht. Zumindest, was das Bärentöten anbelangt. Ob Frauen Männer verstehen, darf bezweifelt werden, aber sie verwenden viel Zeit darauf, es zu versuchen und sich selber verständlich zu machen. Gleichzeitig waren es die Frauen, die, als vor ein paar Jahren das Schimpfwort «Frauenversteher» aufkam, nicht aufhören wollten, darüber zu lachen. Der Frauenversteher, jener aufmerksame Zuhörer und hilfsbereite Rücksichtnehmer, den die feministische Müttergeneration grossgezogen hat, ist die Art Mann, den man sich als Sitznachbarn in einem Computerkurs wünscht. Fürs Herz hoffen nicht nur die Töchter, sondern auch die Mütter auf aufregendere Männlichkeit.
Was ist aufregende Männlichkeit? Etwas in Richtung «Gladiator» Russell Crowe, des männlichsten Kinostars seit Jahren. Oder doch nicht, seine privaten Prügeleien sind unsexy. George Clooney? Etwas verhalten, aber nicht schlecht. Eminem? Spitzenmusik, aber als Mann? 50 Cent? Zu fremd. Jude Law? Schön, aber irgendwie lahm. Roman Kilchsperger? Nicht frech genug. «Einer, der nach Pferdekacke riecht wie ein richtiger Mann», sagt verblüffenderweise eine Kollegin, die mitten in Zürich wohnt und noch nie in einem Sattel gesessen hat. «Einer, dem so behaglich ist in seiner Männerhaut, dass du dich ihm überlassen willst.» – «Einer, der Baby zu mir sagt und mir die Autotüre aufmacht.» – «Einer, der mich nicht anfasst wie ein geschütztes Tier.» – «Einer, der sich von mir nicht beeindrucken lässt.» – «Einer, der um zwei Uhr morgens mit mir redet, obwohl wir schon miteinander geschlafen haben.» – «Einer, der sagt, sei still, ich muss jetzt schlafen.» Die Antworten, streng unwissenschaftlich im weiblichen Bekanntenkreis zwischen 25 und 60 erhoben, sind nicht, was man nach vierzig Jahren Ringen um Gleichstellung erwartet. Pferdekacke. Baby. Sei still.
«Die moderne Frau interessiert sich immer mehr für sich selbst. Ihr Leben wird durch Kompetenz, Karriere und Konsum bestimmt. Sie denkt und handelt immer mehr wie ein Mann», schrieb das Gottlieb-Duttweiler-Institut im letzten Jahr. «Erfolg im Beruf ist der neue Sex», behauptet heute Candace Bushnell, einst Autorin von «Sex and the City». «Viele jüngere Frauen reden kaum noch über Sex und Beziehungen, sondern über ihre Karrieren.» Wo denn? Man setze eine Runde beruflich erfolgreicher Frauen zusammen, versorge sie mit Wein und höre zu, worüber sie nach einer halben Stunde reden. Über das Elend mit den Männern. Über das Elend ohne Männer. Darüber, ob sich die Frauen mit der Forderung nach Gleichberechtigung im Privatleben in den Fuss geschossen haben. Die Männer sind nicht mehr, wie sie waren. Die Frauen sind es genauso wenig, aber irgendwie doch.
Wohin mit der Einsicht?
Sie träumen nach wie vor von einem Mann fürs Leben, der sie auf Händen und ihren Koffer zum Bahnhof trägt. Aber wenn er ihnen die Tür aufhält, sagen sie: «Kann ich selber.» Warum? Seit ein paar Jahren tragen sie wieder Stöckelschuhe, in denen man nur ein paar Dutzend Meter überzeugend gehen kann, dafür sehr weiblich daherkommt. «Backlash!», erkennen Feministinnen von damals. Nein, das ist sehr banale Psychologie. Wer überfordert ist, greift auf alte Strategien zurück. Der Stöckelschuh, dieses Folterteil, von dem Männer glücklicherweise keine Ahnung haben, wie es sich nach drei Stunden Tragen anfühlt, ist ein Leuchtfeuer weiblicher Ratlosigkeit. Seht her, wie weiblich. Und wie spitz ich euch damit auf die Zehen treten kann.
«Die Frauenbefreiung war weniger ein konsequenter Weg als ein verwirrender Zickzack», schreibt Maureen Dowd, als gnadenlos gefürchtete Kolumnistin der New York Times, in ihrem Anfang November in den USA erschienenen Buch «Are Men Necessary?». «Mir war nicht klar, dass die unerwartete Folge der sexuellen Revolution eine Verstärkung der Verwirrung zwischen den Geschlechtern war, die Frauen zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einen Knäuel von Abhängigkeit und Unabhängigkeit führte. Je stärker Frauen die Männer imitierten, desto klarer wurde uns, wie absolut verschieden die Geschlechter sind.» Und wohin mit der Einsicht? Das vielerwartete Buch der berühmtesten Journalistin der USA, die vehement und respektlos gegen Politiker zu Feld zieht, ist zum Thema Mann und Frau überraschend ratlos. Eine tröstliche Lektüre.
Frauen wissen sehr klar, was sie nicht mehr wollen. Von dem, was sie wollen, haben sie wenig Ahnung. Liebe? Kinder? Karriere? Ja bitte, alles, und zu meinen Bedingungen. Es geht nicht. Mutig genug, ihr Durcheinander von Sehnsüchten und Ansprüchen zu entwirren, sind wenige. Die eigenen Widersprüche fühlen sich an wie Niederlagen.
Lösungen? Weit weg. Ein Moment von erschöpfter Versöhnlichkeit wäre nicht schlecht. Wir haben uns alle übernommen.
Softies, hergehört: Die Frau von heute will wieder behandelt werden wie eine Frau. Selbstgereimtes, gute Manieren und «mal drüber reden» ist wirklich schön. Aber zwischendurch will sie eben auch Schweiss auf ihrer Haut spüren. Zum Sonnenuntergang einen Prolo mit Niveau – ach, das wär’s.
Frauen müssen wieder netter sein zu den Männern. Die Verzagtheit im Lager des Geschlechts, das bis vor kurzem «das starke» hiess und inzwischen für die Arterhaltung als schlichtweg unnötig gilt, ist schwer mitanzusehen. Dass die Erkenntnis männlicher Entbehrlichkeit nicht aus feministischen Reihen, sondern aus wissenschaftlichen Labors kommt, lässt selbst berühmteste Gockel einknicken. Norman Mailer etwa, der sich ein Dichterleben lang anstrengte, als aggressiver Weiberheld in die Literaturgeschichte einzugehen, wird im hohen Alter plötzlich von Horrorfantasien gebeutelt: «Männer, so schlecht sie Frauen auch behandelten, brauchten sie dennoch zur Fortpflanzung. Den Frauen hingegen hätten hundert Spermiensklaven gereicht, die sie jeden Tag melken konnten. Sie brauchen uns nicht. Und für mich ist es eine reale Möglichkeit, dass es in hundert Jahren nur noch hundert Männer auf der Erde gibt.»
Ganz so schnell wird es nicht gehen. Aber die harten Fakten in Sachen menschlicher Arterhaltung sind noch bitterer, als Mailer fürchtet. Rein theoretisch werden nicht einmal die hundert Samenproduzenten zwingend erforderlich sein, geschweige denn tägliches Melken, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. «Man braucht nur ihre Zellen, eine Tiefkühltruhe und eine sehr gute Stromversorgung», scherzt der britische Genetiker Steve Jones. Für den New Yorker Anthropologen Lionel Tiger alles andere als ein Anlass zur Heiterkeit. «Der Übergang von der männerzentrierten Produktion zur frauenzentrierten Reproduktion», schreibt der Autor von «Auslaufmodell Mann», «ist so tiefgreifend wie der Übergang von der Landwirtschaft zur Industrie.»
Der geschrumpfte Mann
Einem Geschlecht anzugehören, das dank Reproduktionstechnologie künftig problemlos durch einen Freezer ersetzt werden kann, würde auch das gesündeste Selbstbewusstsein ins Wanken bringen. Leider ist das Selbstbewusstsein der heterosexuellen Männer in den westlichen Industrienationen alles andere als gesund, obwohl die Fortpflanzung zurzeit noch überwiegend auf hergebrachte Art, also in warmen Betten, stattfindet. Wenn es jedoch um den gelassenen Umgang mit Frauen geht, kränkelt es dennoch schon vierzig Jahre vor sich hin. Seit Wirtschaftswunder und Feminismus die Frauen aus der Küche und in die Büros und Universitäten wirbelten, seit der Mann sich zum Pinkeln hinsetzen, für weibliche Gefühle statt für Körbchengrössen interessieren soll und sein Arbeitsplatz so unsicher ist wie die Bedeutung des Y-Faktors, ist die Freude des Mannes an seinem Mannsein in einem anhaltenden Schrumpfungsprozess begriffen.
Das Ergebnis kann in jeder Bar und an jeder Tramstation besichtigt werden: ein ziemlich gleichgültig und tendenziell unfroh dreinblickendes Wesen männlichen Geschlechts, das deutlich weniger Testosteron verströmt als die Generation vor ihm. Mann light, gewissermassen, für Frauen leider nicht bekömmlicher. Dabei hat er ästhetisch – der Disco- und später der Techno-Welle sei Dank – seit den achtziger Jahren eindeutig zugelegt. Irgendwann war er es leid, dass beim Tanzen immer nur die Schwulen mit ihren durchtrainierten Körpern unter den engen T-Shirts gute Figur machten. Inzwischen pflegt, trimmt, kleidet und schmückt er seinen Körper mit Hingabe, kauft markenbewusst ein und tanzt mit oft verblüffender Anmut.
Das ist der Erscheinung sehr zuträglich, der zwischengeschlechtlichen Erotik leider kaum. Denn inzwischen sieht er Frauen, wenn überhaupt, mit demselben Blick an, den er so häufig in den Spiegel wirft. Bin ich, fragt der Blick, nicht äusserst bemerkenswert? Nein, denken die Frauen, denn das einzige Begehren, das sie in dem Blick erkennen, ist das nach Selbstbestätigung. Einer Frau zulächeln, sich gar nach ihr umdrehen – zu viel der Anstrengung. Gab es tatsächlich einmal Männer, die Frauen nachpfiffen? Angesichts der Light-Generation zweifelt man an seiner Erinnerung. Genau so verwirrt wie die Frauen sind die Homosexuellen. Seit ein paar Jahren, sagen sie, sei ihr Gaydar, der Radar für andere Schwule, überhaupt nicht mehr zuverlässig. Es sei immer schwieriger auszumachen, ob ein Mann auf Frauen, Männer oder hauptsächlich auf sich selber stehe. «Metrosexuell» tauften die Medien das neue Wesen, an dem so vieles ansehnlich und so wenig sexuell wirkt.
Dass das Aufbegehren der Frauen, anfangs gern belächelt oder als Marotte freudloser Zicken weggewischt, den feinen Seelen in den gestählten Körpern auf Dauer zusetzen würde, war kein Wunder. Die Frauen waren nicht zimperlich in ihren Forderungen und nicht zurückhaltend mit Häme. Und leider bestachen sie in der Mehrheit weder durch Charme noch durch Humor im Umgang mit dem jäh in Ungnade gefallenen Geschlecht. Der einstige Ernährer musste zwar inzwischen nur noch die halbe Miete bezahlen, aber das zu einem hohen Preis: Er wurde vom lebenslangen Gefährten zur Option. Entweder er half bei Hausarbeit und Kinderbetreuung und war solidarisch mit ihren Bemühungen, sich auch unabhängig von ihm zu amüsieren, oder sie kam lieber ohne ihn zurecht. Die Scheidungsraten kletterten unaufhaltsam, und bis heute sind es meist die Frauen, die die Koffer packen.
Kuscheln und kuschen
Der Mann tut eine Menge, das zu verhindern. Nicht einmal der Verlust des Arbeitsplatzes erschüttert seine Grundfesten so radikal wie eine Trennung, die nicht er gewollt hat. Und weil nachgeben ihn deutlich weniger anstrengt, als lange Diskussionen mit einer möglicherweise immer ärgerlicheren Partnerin zu führen, setzt er gar nicht erst zum Widerspruch an. Wenn man in Büros mithört, wie Männer mit ihren Frauen telefonieren, hat man den Eindruck, sie seien zum gehorchenden Geschlecht mutiert. Der Kollege, der eben noch zum Aperitif mitgehen und nur kurz zu Hause Bescheid sagen wollte, flüstert nach kurzem Schweigen: «Okay Schatz, ich bin in zehn Minuten da.» Oder er jammert wie ein unzufriedenes Kind: «Aber du hast doch selber gesagt, wir sollten ab und zu... Und es war ja gar nicht meine Idee, die andern wollen unbedingt.» Auch die Stimme vieler Chefs flötet eine Oktave höher als ihr üblicher Bürobariton, kaum ist die Gattin am Draht. Das war nicht, was die Feministinnen im Sinn hatten, als sie einen neuen Gesprächston zwischen Mann und Frau verlangten.
Ebenso befremdlich wie die unterwürfigen Kinderstimmen ist die Tatsache, dass der Mann in Gesellschaft inzwischen scheinbar ungerührt hinnimmt, dass Frauen ihn zum lebenden Witz degradieren. «Du und über etwas nachdenken? Über etwas anderes als dich?», fragt die liebende Gattin mit nicht erkennbar zärtlichem Hohn, und die ganze Tischrunde lacht. Er ebenfalls, wenn auch etwas gequält. «Du und dich an einen Geburtstag erinnern? Du und freiwillig einen Putzlappen in die Hand nehmen? Du und Intuition?» Hahaha.
Es sind nicht nur die Tischgespräche. «Ich bremse auch für Männer», steht auf dem Kleber an der Stossstange. Sätze wie: «Je länger ich über Männer nachdenke, desto mehr fühle ich mich zu Hunden hingezogen» gibt es als Wandschmuck zu kaufen. In Kino und Fernsehen werden die schlagkräftigen Frauen immer zahlreicher: Lara Croft, Catwoman, Charlie’s Angels, Xenia und ständig neue Kommissarinnen, die Widersacher nicht nur souverän auf den Rücken legen, sondern auch immer etwas gescheiter sind als die Kollegen, mit denen sie sich herumschlagen müssen. Der deutsche Trendforscher Matthias Horx bezeichnete das kulturelle und gesellschaftliche Phänomen kurz und harsch als «die Vertrottelung des Mannes». «Die Männer haben sich verändert», sagt Horx. «Irgendwie hat man das Gefühl, als ob sie klein beigeben. Sie scheinen nicht mehr zu wissen, wo es langgeht. Sie trauen sich nichts mehr und bringen nichts zustande – wie Frauen früher.»
Aber da ist ein kleiner Unterschied, mit dem beide Geschlechter miserabel zurechtkommen: Während schüchterne und unsichere Frauen an männliche Beschützerinstinkte appellieren, was den Mann durchaus in Fahrt bringen kann, wirken klein beigebende Männer auf Frauen selten aufregend. Männliche Unterwerfung mag gelegentlich eine weibliche Kopffantasie sein, aber genau besehen ist sie nicht einmal im Kopf besonders interessant. Niemand mag sich mit Untergebenen messen. Deswegen hat die erotische Strahlkraft eines verunsicherten Mannes den Radius einer Funzel. Also sehen die Frauen sich nach ergiebigeren Lichtquellen um.
Das Grundmissverständnis
«Scheissfeministinnen! Machen so lange Terror, bis du nicht mehr weisst, wie du dich verhalten sollst. In den Mantel helfen oder nicht? Das Nachtessen bezahlen oder teilen? Sie einfach küssen oder vorher fragen? Kaum denkst du, jetzt machst du es ihnen ungefähr recht, fahren sie auf einen Macho ab.» Den Ausbruch einer erbitterten Funzel, so oder ähnlich, hat ungefähr jede eigensinnige Frau über fünfundzwanzig in den letzten Jahren über sich ergehen lassen. Meine Herren, Ihre wütende Ratlosigkeit ist nachvollziehbar. Aber hier gibt es ein Grundmissverständnis zu klären.
Dem Begriff Macho, in den sechziger Jahren zusammen mit Chauvi die meistverteilte feministische Beschimpfung für Grapscher, Bettflaschen, marxistische Nebenwiderspruch-Hochhalter und alle anderen Männer, die der Frauenbewegung nicht rückhaltlos zujubelten, ist in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Aufsplittung widerfahren. Die Frauenbewegung rührt sich kaum noch, viele jüngere Frauen schütteln über die feministische Verbohrtheit der Müttergeneration den Kopf. Aber wenn Mutter und Tochter heute über einen Mann sagen, er sei ein Macho, ist das nicht mehr zwingend nur ein Ausdruck von Empörung. Es schwingt eine leise Sehnsucht mit, über die Frauen nicht gern reden, weil sie dann auch sagen müssten, dass sie eigentlich nicht wissen, was sie von Männern wollen.
Wer hingegen von seinen Geschlechtsgenossen als Macho abgekanzelt wird, ist in der Regel aus Frauensicht etwas ganz anderes: ein rares Exemplar von entspanntem heterosexuellem Mann, der aus seinem Entzücken an Frauen keinen Hehl macht. Wenn Männer einen der Ihren als Macho ausmachen, handelt es sich meist um einen Anmacher von beträchtlichem Charme und Erfolg. Also um einen, der im Umgang mit Frauen weder unsicher noch befangen ist. Zumindest nicht bei den ersten Begegnungen. Da ist er nichts als unterhaltend, hängt gutgelaunt in seinem Stuhl und begeistert sich unverhohlen mehr für die Höhe ihrer Absätze als für die ihres IQs. Er ist weder herablassend noch sonst irgendwie frauenfeindlich. Er ist nur nicht sehr erpicht darauf, mit ihr über Umweltschutz oder kulturell bedeutende Anlässe zu reden. Stattdessen zwinkert er sie an, wenn sie sich über seriöse Themen herzumachen versucht. Und fragt, ob sie diese Bewegung, mit der sie gerade die Haare hinter dem rechten Ohr hervorgeholt habe, nochmals machen könne.
Mit anderen Worten: Er huldigt ihrer Weiblichkeit. Das ist etwas, was Frauen nicht mehr oft bekommen. Die Töchter der Emanzen, die Büstenhalter und Stöckelschuhe verteufelten, am liebsten sackartige Latzhosen trugen und den Verkauf der Barbie-Puppe gerne unter Strafe gestellt hätten, sehen sehr oft aus wie Barbie. Sie tragen hohe Absätze und sehr tiefsitzende Jeans, hautenge T-Shirts mit kühnen Ausschnitten und schimmerndes Lipgloss – ein erotisches Ausrufezeichen über dem andern – und ernten doch selten mehr als stumme Blicke aus ernsten metrosexuellen Gesichtern.
Mach mir nicht den Kilchsperger
Die Kunst des munteren Ansprechens hat sich zumindest in Mitteleuropa so verflüchtigt, als gingen Singles in den Ausgang, um etwas zu trinken zu bekommen. Amerikaner bereiten ihre Pick-up-Lines – Anmach-Eröffnungen – sorgfältig vor, weil sie wissen, dass die Frage, ob sie oft in diese Bar komme, jede Frau sofort gefühlstot macht. Stattdessen wagen sie Sätze wie: «Darf ich dich etwas fragen? Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick, oder soll ich später nochmals vorbeikommen?» Das wirkt nicht immer unverkrampft, aber die Bemühung wird geschätzt. Hierzulande, sagen die Frauen, herrsche hingegen Einfallslosigkeit und Plumpheit. Eine Behauptung, die von Männern energisch bestritten wird. Es seien die Frauen, die auch auf freundlichstes Ansprechen fast durchwegs angeödet reagierten und ihnen damit jede Lust vermiest hätten. Zwei Geschlechter, zwei Wahrnehmungen. Der Ausweg, dass Frauen Männer ansprechen, hat nach übereinstimmenden Aussagen beider noch immer Seltenheitswert. Die Gleichstellung an der Bartheke findet allenfalls beim Bezahlen statt.
Wenn man die Frauen fragt, gibt es nichts Leichteres, als sie anzumachen. Sie fallen, sagen sie, auf jedes vergnügte männliche Kompliment herein, das originell genug ist, sie zu überraschen. Jeder unbekümmerte Unbekannte, der sie zum Lachen bringt, kann sicher sein, einen zweiten Blick zu bekommen. Ihnen gebannt zuhören muss er nicht, im Gegenteil. «Wenn du einer Frau aus der Hand frisst, schläft sie ein», sagt ein Kollege, den alle Männer einen Macho nennen und den zahlreiche hübsche Kolleginnen schon in Unterwäsche gesehen haben. «Frauen wollen von Männern nicht, was sie selber können.» Was können Frauen nicht? «Bären töten», sagt er, «Apachen niederwerfen.» Was können Frauen? «Männer verstehen.»
Er hat Recht. Zumindest, was das Bärentöten anbelangt. Ob Frauen Männer verstehen, darf bezweifelt werden, aber sie verwenden viel Zeit darauf, es zu versuchen und sich selber verständlich zu machen. Gleichzeitig waren es die Frauen, die, als vor ein paar Jahren das Schimpfwort «Frauenversteher» aufkam, nicht aufhören wollten, darüber zu lachen. Der Frauenversteher, jener aufmerksame Zuhörer und hilfsbereite Rücksichtnehmer, den die feministische Müttergeneration grossgezogen hat, ist die Art Mann, den man sich als Sitznachbarn in einem Computerkurs wünscht. Fürs Herz hoffen nicht nur die Töchter, sondern auch die Mütter auf aufregendere Männlichkeit.
Was ist aufregende Männlichkeit? Etwas in Richtung «Gladiator» Russell Crowe, des männlichsten Kinostars seit Jahren. Oder doch nicht, seine privaten Prügeleien sind unsexy. George Clooney? Etwas verhalten, aber nicht schlecht. Eminem? Spitzenmusik, aber als Mann? 50 Cent? Zu fremd. Jude Law? Schön, aber irgendwie lahm. Roman Kilchsperger? Nicht frech genug. «Einer, der nach Pferdekacke riecht wie ein richtiger Mann», sagt verblüffenderweise eine Kollegin, die mitten in Zürich wohnt und noch nie in einem Sattel gesessen hat. «Einer, dem so behaglich ist in seiner Männerhaut, dass du dich ihm überlassen willst.» – «Einer, der Baby zu mir sagt und mir die Autotüre aufmacht.» – «Einer, der mich nicht anfasst wie ein geschütztes Tier.» – «Einer, der sich von mir nicht beeindrucken lässt.» – «Einer, der um zwei Uhr morgens mit mir redet, obwohl wir schon miteinander geschlafen haben.» – «Einer, der sagt, sei still, ich muss jetzt schlafen.» Die Antworten, streng unwissenschaftlich im weiblichen Bekanntenkreis zwischen 25 und 60 erhoben, sind nicht, was man nach vierzig Jahren Ringen um Gleichstellung erwartet. Pferdekacke. Baby. Sei still.
«Die moderne Frau interessiert sich immer mehr für sich selbst. Ihr Leben wird durch Kompetenz, Karriere und Konsum bestimmt. Sie denkt und handelt immer mehr wie ein Mann», schrieb das Gottlieb-Duttweiler-Institut im letzten Jahr. «Erfolg im Beruf ist der neue Sex», behauptet heute Candace Bushnell, einst Autorin von «Sex and the City». «Viele jüngere Frauen reden kaum noch über Sex und Beziehungen, sondern über ihre Karrieren.» Wo denn? Man setze eine Runde beruflich erfolgreicher Frauen zusammen, versorge sie mit Wein und höre zu, worüber sie nach einer halben Stunde reden. Über das Elend mit den Männern. Über das Elend ohne Männer. Darüber, ob sich die Frauen mit der Forderung nach Gleichberechtigung im Privatleben in den Fuss geschossen haben. Die Männer sind nicht mehr, wie sie waren. Die Frauen sind es genauso wenig, aber irgendwie doch.
Wohin mit der Einsicht?
Sie träumen nach wie vor von einem Mann fürs Leben, der sie auf Händen und ihren Koffer zum Bahnhof trägt. Aber wenn er ihnen die Tür aufhält, sagen sie: «Kann ich selber.» Warum? Seit ein paar Jahren tragen sie wieder Stöckelschuhe, in denen man nur ein paar Dutzend Meter überzeugend gehen kann, dafür sehr weiblich daherkommt. «Backlash!», erkennen Feministinnen von damals. Nein, das ist sehr banale Psychologie. Wer überfordert ist, greift auf alte Strategien zurück. Der Stöckelschuh, dieses Folterteil, von dem Männer glücklicherweise keine Ahnung haben, wie es sich nach drei Stunden Tragen anfühlt, ist ein Leuchtfeuer weiblicher Ratlosigkeit. Seht her, wie weiblich. Und wie spitz ich euch damit auf die Zehen treten kann.
«Die Frauenbefreiung war weniger ein konsequenter Weg als ein verwirrender Zickzack», schreibt Maureen Dowd, als gnadenlos gefürchtete Kolumnistin der New York Times, in ihrem Anfang November in den USA erschienenen Buch «Are Men Necessary?». «Mir war nicht klar, dass die unerwartete Folge der sexuellen Revolution eine Verstärkung der Verwirrung zwischen den Geschlechtern war, die Frauen zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einen Knäuel von Abhängigkeit und Unabhängigkeit führte. Je stärker Frauen die Männer imitierten, desto klarer wurde uns, wie absolut verschieden die Geschlechter sind.» Und wohin mit der Einsicht? Das vielerwartete Buch der berühmtesten Journalistin der USA, die vehement und respektlos gegen Politiker zu Feld zieht, ist zum Thema Mann und Frau überraschend ratlos. Eine tröstliche Lektüre.
Frauen wissen sehr klar, was sie nicht mehr wollen. Von dem, was sie wollen, haben sie wenig Ahnung. Liebe? Kinder? Karriere? Ja bitte, alles, und zu meinen Bedingungen. Es geht nicht. Mutig genug, ihr Durcheinander von Sehnsüchten und Ansprüchen zu entwirren, sind wenige. Die eigenen Widersprüche fühlen sich an wie Niederlagen.
Lösungen? Weit weg. Ein Moment von erschöpfter Versöhnlichkeit wäre nicht schlecht. Wir haben uns alle übernommen.
tankwarth - 9. Dez, 15:46
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